Anton der Zauberer

DDR 1977/1978 Spielfilm

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Heinz17herne
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Lindenhof, Mark Brandenburg, Mitte der Siebziger Jahre. Großer Bahnhof für Anton Grubske, der mit Violinspiel und FDJ-Gitarrenensemble zu Grabe getragen wird. Der ganze Ort ist auf den Beinen, Abordnungen aus Politik, Kirche und Gesellschaft fehlen ebenso wenig wie die Leiter des Maschinenbaukombinates und der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Dem Autoschlosser von Beruf und aus Berufung flogen eigentlich schon immer alle Herzen zu. Was ihm nicht unbedingt in die Wiege gelegt wurde im gleichen Ort fünfzig Jahre zuvor, als Anton Grubske in einer Gewitternacht als Sohn eines bettelarmen Schnitters das Licht der Welt erblickte. Die Liebe zum Auto und zum weiblichen Geschlecht entwickelte sich ausgesprochen früh, die zum Bier, seiner dritten Leidenschaft, nur wenig später, als die Nazi-Herrschaft besagtes Welten-Licht verdunkelte und den jungen Anton zum Luftwaffenpiloten ausbildete: Im September 1942 über der afrikanischen Wüste abgeschossen, sollte Anton den Durst fürs weitere Leben behalten.

Frühling 1945 im herrlich blühenden Havelland. Anton Grubske kehrt, auf Krücken gestützt, aus dem Krieg zurück und entzieht sich durch technisches Können und mit Hilfe gleich zweier Frauen der drohenden russischen Kriegsgefangenschaft. Erstere heißt Sabine, ist ein blendend aussehendes Vollblut-Weib, verhinderte Opernsängerin und nicht zuletzt verwitwete Wirtin der Gaststätte „Zum verwunschenen Ritter“. Ihr kommt der in jeder Hinsicht ausgehungerte und verdurstende Anton gerade recht. Die zweite heißt Liesel, ist süß, naiv und sehr fleißig im Haushalt wie in der Kirche. Als Tochter seines ehemaligen Chefs war sie schon so etwas wie seine Sandkastenliebe, wobei besagter Kasten zumeist aus dem Führerstand eines zu reparierenden Treckers bestand, und hat nur auf seinen Heiratsantrag gewartet: Nun wird aus dem Schnittersohn der Inhaber der einzigen Kfz-Werkstatt im Kreis und aus seinem alten Schlawiner von Vater dank der Bodenreform in der noch jungen DDR ein Neubauer.

„Der eine weiß, der andere braucht“: Anton zaubert mit seiner goldenen Nase, zupackenden Händen und bald auch der Hilfe seines alten Kumpels Franz Rostig sehr viel Geld aus altem Blech. Sie schlachten ein offenbar unentdeckt gebliebenes Wehrmachts-Materiallager aus und können so ganz Brandenburg motorisieren. Da eine Hand die andere wäscht, braucht sich Papa Grubske nicht mit den Mühen der Ackerbestellung zu plagen und kann sich ganz auf seine geliebten Bienen und den auch als Tauschobjekt äußerst beliebten selbstgebrannten Honigschnaps konzentrieren. Die Geschäfte laufen so prächtig, dass Anton bald zum „Ostmark-Millionär“ wird, obwohl er sich spendabel gibt, etwa der tatkräftigen Bürgermeisterin gegenüber. Mit Hilfe von Sabine trägt er die Kohle eigenhändig auf eine Bank nach West-Berlin, auch wenn diese nur 22 West-Mark für 100 Ost-Mark tauscht. Doch bald, wir schreiben den 13. August 1961, meldet der Rundfunk der DDR „notwendige Maßnahmen zum Schutz unserer Staatsgrenze“. Die S-Bahn fährt nicht mehr bis Westkreuz – und Anton ist von seinem Vermögen abgeschnitten. Doch nicht nur das: in allerletzter Minute hat sich Sabine mit ihrer Tochter Ille und der Vollmacht über Antons West-Berliner Devisenkonto in die Schweiz abgesetzt.

Weil alle schlechten Dinge drei sind, wird Anton nun auch noch denunziert und landet im Gefängnis. Was er sich selbst zuzuschreiben hat: Wer den Hals nicht voll genug bekommt und Vorschüsse kassiert auf Leistungen, die er nicht erbringen kann, muss mit Reaktionen verprellter Kunden rechnen. Und mit einem lieben Kartengruß von Sabine aus der Schweiz. Aber Anton ist ein ganzer Kerl auch hinter schwedischen Gardinen und sorgt für außerordentliche Arbeits- und Neuerer-Leistungen in der Industrie. In Schröder, ehemaliger Leiter der Walzmontage und nunmehriger des VEB Traktorenwerks, findet er einen verständnisvollen Chef, der den Zauberer zu nehmen weiß – ganz zum Wohle des Kombinats, der Gesellschaft und nicht zuletzt der eigenen Karriere. Im Grunde setzt Anton nur wieder sein Organisationstalent ein und ist damit so erfolgreich wie zuvor, sodass er bald auf RGW-Ebene (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, die Ost-EWG) tätig ist...

„Der Film ist ein Labsal für Auge und Ohr. Bild- und Dialogpointen sitzen wie ein Maßanzug“ schrieb einst die populäre „Kino-Eule“ Renate Holland-Moritz im nicht minder populären DDR-Magazin „Eulenspiegel“ über „Anton der Zauberer“, der anno 1979 gleich zweifach die Kritikerumfrage des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR gewann – als bester Defa-Film des Jahres 1978 und als bester Defa-Film im komischen Genre des Jahres 1978. Es folgten dann noch Heinrich-Greif-Preise für Regisseur Günter Reisch, Drehbuchautor Karl-Georg Egel und den Darsteller der Titelrolle, Ulrich Thein. Letzterer war auch „Bester Darsteller“ bei den Int. Filmfestspielen Moskau 1979. Und beim 1. Nationalen Spielfilmfestival der DDR 1980 in Karl-Marx-Stadt gabs Preise für den Götz George des Arbeiterkinos (Bester Hauptdarsteller) und Christiane Dorst (Beste Kostüme).

Der Preisregen kann nun wirklich nicht verwundern. Denn die „Babelsbergs Frohnatur“, so die „Kino-Eule“ über Günter Reisch, hat die so vergnügliche wie ironische Zeitreise durch drei Jahrzehnte DDR-Geschichte vom Pankower Klassenstandpunkt aus angetreten. In der Handlung wie im stets sehr launigen Erzähler-Kommentar aus dem Off konnte sich das Publikum mit den eigenen größeren oder kleineren Alltagsproblemen wiederfinden. Über die Mühen und Tücken der realsozialistischen Tausch- und Mangelwirtschaft durfte auch in den Kabaretts und in besagtem „Eulenspiegel“ gelacht werden – wenn das SED-System selbst nicht grundsätzlich infrage gestellt wurde. Daran hielt sich Günter Reisch gerade auch in den Szenen, die sich auf den Mauerbau und die eingeschränkte Reisefreiheit, die Klassen-Justiz (Marianne Wünscher spielt eine Rechtsanwältin, die nur die Interessen des Staates vertritt, nicht die ihres Mandanten) und das Devisen-Recht (Antons Schweizer Erbschaft kassiert der Staat) beziehen. Selbst der von Sabine vermachte Chevi landet in der Schrottpresse des Traktorenwerks: Anton hat seinen Frieden mit dem Staat und einer Gesellschaft, in der bis auf die Parteifunktionäre alle gleich zu sein haben, gemacht, da bleibt auch für fahrbare Extravaganzen kein Raum...

Mit 800.000 Zuschauern nach der Uraufführung am 19. September 1978 im Capitol Rostock gehört „Anton der Zauberer“ zu den erfolgreichsten Babelsberger Produktionen und lief 1980 auch auf Defa-Filmwochen in westdeutschen Programmkinos. Vom Fernsehen der DDR am 6. Januar 1980 erstausgestrahlt folgte der NDR am 25. Oktober 1984 mit der bundesdeutschen TV-Premiere auf Nord 3.

Pitt Herrmann

Credits

Director

Director of photography

Editing

Cast

All Credits

Director

Script editor

Director of photography

Assistant camera

Still photography

Lighting design

Production design

Set construction

Costume design

Editing

Audio mixing

Cast

Dubbing

Unit production manager

Original distributor

Shoot

    • u.a. im Havelland (Brandenburg)
Duration:
2896 m, 106 min
Format:
35mm, 1:2,35 (Totalvision)
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 19.09.1978, Rostock, Capitol;
Kinostart (DD): 22.09.1978;
Aufführung (SU): 1979, Moskau, IFF - Wettbewerb;
TV-Erstsendung (DD): 06.01.1980, DDR-TV;
Aufführung (DE): 25.10.1984, NDR (Nord3) [TV]

Titles

  • Originaltitel (DD) Anton der Zauberer
  • Weiterer Titel Unterwegs mit Anton
  • Weiterer Titel (ENG) Anton The Magician

Versions

Digitalisierte Fassung

Duration:
106 min
Format:
DCP 2k, 1:2,35
Video/Audio:
Farbe, Mono

Original

Duration:
2896 m, 106 min
Format:
35mm, 1:2,35 (Totalvision)
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 19.09.1978, Rostock, Capitol;
Kinostart (DD): 22.09.1978;
Aufführung (SU): 1979, Moskau, IFF - Wettbewerb;
TV-Erstsendung (DD): 06.01.1980, DDR-TV;
Aufführung (DE): 25.10.1984, NDR (Nord3) [TV]

Awards

Nationales Spielfilmfestival der DDR 1980
  • Beste Kostüme
  • Bester Hauptdarsteller
Provinziale - Filmfest Eberswalde 1980
  • Jury Preis, Bester Darsteller
Heinrich-Greif-Preis 1979
  • Heinrich-Greif-Preis 1. Klasse, Beitrag zur Entwicklung der sozialistischen Filmkomödie
IFF Moskau 1979
  • Bester Darsteller
Kritikerumfrage der Sektion Theorie und Kritik des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR 1978
  • Kritikerumfrage der Sektion Theorie und Kritik des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR, Bester DEFA-Film im komischen Genre
  • Kritikerumfrage der Sektion Theorie und Kritik des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR, Bester DEFA-Film