Maibowle

DDR 1959 Spielfilm

Inhalt

In diesem DEFA-Lustspiel zum zehnten Jahrestag der DDR wird dem Chemiewerkmeister Wilhelm Lehmann zum 65. Geburtstag der staatliche Orden "Banner der Arbeit" verliehen. Er will sein Jubiläum feiern und eine Maibowle vorbereiten, doch die Verwandtschaft sagt ihm nach und nach ab – sein Bruder muss Paul dringend eine sozialistische Wanderfahne übergeben, Sohn Franz ein Betriebsfest organisieren, Sohn Albert eine wichtige LPG-Sitzung in seinem Dorf leiten und dessen Frau ihren Lehrerkollegen vertreten. Als die Angehörigen aber von der hohen Ehrung für das Familienoberhaupt erfahren, machen sie sich zur Gratulation doch alle auf den Weg nach Grünefeld.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Wilhelm Lehmann, Meister des Chemiekombinats Grünefeld vor den Toren Halles an der Saale, feiert seinen 65. Geburtstag. Und das im Wonnemonat Mai mit so üppig blühenden Bäumen, dass man die rauchenden Schlote glatt übersehen könnte. Blühende Landschaften eines prosperierenden Staatswesens – so hat man sich das beim „Bitterfelder Weg“ vorgestellt mit dem „sozialistischen Realismus“.

„Viele Kinder, viel Freude“: Seine Frau Auguste hat alle Hände voll zu tun, daheim die Tafel zu decken, an der alle Mitglieder der großen Familie erwartet werden. Die traditionelle Maibowle ist längst angesetzt, für den bunten Alkoholmix sind wie immer die Kinder zuständig.

„103 Prozent Planerfüllung“ verkündet ein gewaltig dimensioniertes, naturgemäß knallrotes Transparent über der Toreinfahrt: Der Sieg des Sozialismus ist Ende der 1950er Jahre offenbar nicht aufzuhalten. Während bei Lehmanns daheim noch Ruhe vor dem Sturm herrscht, laufen im Kombinat derweil die ungleich aufwändigeren Vorbereitungen für die Auszeichnung des Betriebes als erfolgreichstes Unternehmen der Chemiebranche auf Hochtouren: Mit Anton Fritsch hat sich sogar ein Staatssekretär aus der Hauptstadt Berlin angesagt – und das Fernsehen gleich mit.

Arbeitsteilung ist angesagt: Franz Lehmann, der als vierfacher Vater in jeder Hinsicht umtriebige LPG-Vorsitzende Grünefelds, ist für die Ausstattung des gemeinsamen familiären Kaffeetrinkens daheim zuständig, sein Bruder Paul ist der für die Kulturarbeit verantwortliche Chemiker. Während ersterer sich zu einer wichtigen Sitzung der Landwirtschaftlichen Produktions-Genossenschaft verabschiedet, wo es um die zwischen Frauen und Männern heftig umstrittene Investitions-Frage Kinderhort oder Sportplatz geht, wird letzterer von so chaotischen wie selbstherrlichen Bildschirm-Heinis des Deutschen Fernsehfunks in Beschlag genommen

Daheim bei den Lehmanns flattern statt der Familienmitglieder Telegramme mit Absagen ins Haus: Jeder der auswärtigen Söhne ist aus dringenden beruflichen Gründen unabkömmlich. Gustav, der in Berlin im Ministerium arbeitet, hat eine von seiner ehrgeizigen Gattin Marion eingefädelte Einladung an seinen einflussreichen Chef ausgesprochen, Tochter Suse einen Vorsprechtermin in der Schauspielschule.

Günther, ein Hallodri von Überflieger der besonderen Art, hat bei der Nationalen Volksarmee gar nicht erst um Sonderurlaub gebeten, weil sein Vater in der ihm eigenen bestimmenden Art bekundet hat, dass die nächste Freundin, die er nach Grünefeld mitnimmt, seine Gattin sein wird. Nur Albert Lehmann wird wohl die Zähne zusammenbeißen müssen: Er hat die VEB-Fahne des alten Siegerbetriebs, bei dem er beschäftigt ist, an den Nachfolger zu übergeben. Was an sich schon sauer genug ist, aber nun bleibts auch noch in der Familie! Paul schließlich ist im Kombinat unabkömmlich und Franz sitzt in der nicht enden wollenden LPG-Sitzung. Immerhin ist sein Geschenk daheim eingetroffen: ein Fernsehgerät.

Als endlich Ruhe eingekehrt ist, Wilhelm sitzt mit Prinz-Heinrich-Mütze und Lederjacke im Kulturhaus und Auguste vor dem Bildschirm, traut letztere ihren Augen nicht: ihr Gatte erhält in Anwesenheit des Staatssekretärs aus der Hand ihres Sohnes Gustav mit dem „Banner der Arbeit“ eine der höchsten Auszeichnungen der Republik. Und daneben macht Albert mit der Fahne gute Miene zum nur aus seiner Sicht bösen Spiel. Kaiserwetter herrscht an diesem Mai-Feiertag, die Modenschau kann draußen stattfinden und im letzten Augenblick ist die ganze Familie, auch Günther und seiner neuen Flamme Bärbel (Erika Schädlich), versammelt - voller Stolz auf ihren (Groß-) Vater...

Günter Reisch verbindet in dieser frühen, auf Agfa-Material aus Wolfen in satten Farben gedrehten Defa-Produktion zum 10. Jahrestag der DDR die Familiengeschichte der Lehmanns mit einer Gesellschaftskomödie, die vordergründig einen heiter-optimistischen Blick auf den noch ganz in der Aufbauphase befindlichen sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat wirft. Die Kultusbürokraten sahen das seinerzeit anders und fragten: „Es gibt solche Typen, aber was nützen sie uns?“ Sie erkannten in der in der Tat äußerst ungewöhnlichen Zeichnung zahlreicher Figuren die tiefere Bedeutung hinter dem köstlichen Scherz, der bisweilen bissigen Satire und der wundervollen, durchgängigen Ironie des Regisseurs.

Ein unkonventionell-freigeistiger Staatssekretär, der sich an der Seite des seinen Idealen gegenüber ungebrochen standfesten Genossen aus dunkler Zeit lieber seiner antifaschistischen Wurzeln erinnert als jeden Winkelzug der Staats- und Parteibürokratie mitzutragen, eine egozentrische, konsumorientierte und genusssüchtige Gattin eines höheren Ministerialbeamten, die ihre Wurzeln verleugnet, ein selbstherrliches Fernsehteam, das ständig versucht, ein Idealbild zu erzeugen statt die real-sozialistische Wirklichkeit abzubilden und nicht zuletzt ein betrunkener Postbote sind schon starker Tobak für die Zensurbehörden.

Günter Reisch hat in seiner turbulent inszenierten Komödie durchaus Erwartungen entsprochen – allen voran mit dem positiven Helden Wilhelm Lehmann, aber auch was das generöse Verhalten des NVA-Vorgesetzten Günthers wie des HO-Warenhausleiters betrifft oder der „Ausflug“ von Günthers Piloten-Kameraden mit dessen Braut nach Grünefeld. Aber bei „Maibowle“ überwiegt deutlich der Eindruck einer zumeist augenzwinkernd-heiteren, bisweilen aber auch knallharten Satire (überbordende Warenfülle im HO-Kaufhaus) im Schafspelz eines harmlosen (musikalischen) Lustspiels. Das übrigens seine Fortsetzung im Jahr darauf in der noch spitzfindig-witzigeren, schärferen Musikkomödie „Silvesterpunsch“ fand, welche die Parole „Chemie gibt Brot, Wohlstand und Schönheit“, hier nur kurz bei der Auszeichnung des Kombinats im Bild, unverhüllt satirisch aufs Korn nimmt.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Kamera

Musik

Darsteller

Alle Credits

Drehbuch

Dramaturgie

Kamera

Standfotos

Bauten

Kostüme

Musik

Darsteller

Produktionsleitung

Länge:
2580 m, 94 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 05.10.1959, Berlin, Babylon

Titel

  • Originaltitel (DD) Maibowle
  • Arbeitstitel (DD) Familienfest mit Hindernissen

Fassungen

Original

Länge:
2580 m, 94 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 05.10.1959, Berlin, Babylon