Inhalt
Dritter Teil der siebenteiligen "Wittstock"-Langzeitdokumentation von Volker Koepp über das Leben und die Probleme der Textilverarbeiterinnen im Volkseigenen Betrieb für Obertrikotagen "Ernst Lück" in Wittstock/Dosse: Im Fokus dieses Teils steht die Bandleiterin Edith Rupp.
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Edith, vor zwei Jahren („Wieder in Wittstock“, 1976) nach einer Auseinandersetzung mit der Werkleitung nur noch als Näherin beschäftigt, ist wieder zur Bandleiterin aufgestiegen. Ein Rückblick mit Ausschnitten aus den beiden ersten Teilen des „Wittstock“-Zyklus holt noch einmal ins Gedächtnis zurück, wie sie im Januar 1974 als 19-jährige Textilfacharbeiterin in der Jugendschicht die Bänder der neuerrichteten Fabrik in Betrieb nimmt.
Im Oktober 1974 zur Bandleiterin ernannt arbeitet sie im November 1975 wieder als Näherin, um im Dezember 1977 wieder als Bandleiterin eingesetzt zu werden. Edith identifiziert sich endlich wieder mit dem Betrieb, hat ein Meisterstudium begonnen. Weil mit Waltraud Dietz eine engagierte Werkbereichsleiterin hinzugekommen ist, zu der alle Vertrauen haben – wie auch Elsbeth „Stupsi“ Wiegand bestätigt.
Offen spricht Waltraud Dietz Organisationsprobleme an: Monatspläne seien viel zu kurzfristig, immer wieder komme es bei Materialmangel zu Leerschichten, die später auch nicht durch Sonderschichten ausgeglichen werden könnten, um die staatlich festgelegten Normen zu erfüllen. Sie kritisiert die Kommunikation unter den Werkbereichen bis hinauf zur Werksleitung: „Es wird nicht in jedem Fall mit offenen Karten gespielt“.
Edith hat binnen einem halben Jahr harter Arbeit „ihr“ Band funktionstüchtig gemacht – und sich damit ungewollt für höhere Aufgaben empfohlen. Sie soll nun ein neues, anspruchsvolleres Band mit älteren Näherinnen übernehmen, an dem es an der Zusammenarbeit der Arbeiterinnen hapert. Sie sträubt sich mit allen Mitteln gegen die ungeliebte Aufgabe, lässt sich schließlich aber doch von der Parteisekretärin Bruni Haase überzeugen, sich im Sinne des Betriebes zur Verfügung zu stellen.
Weihnachtsmarkt in Wittstock. In einer Gaststätte erzählen Senioren von alten Zeiten. In den 1930er Jahren haben die Tuchfabriken Militärstoffe für die Armee hergestellt. Der Neuanfang 1945 musste nur mit einer Handvoll Handwebstühlen bewältigt werden. Der Grund dafür bleibt im Dunkeln, auch Volker Koepp benennt ihn nicht: Nach Kriegsende demontierte die Rote Armee sämtliche Produktionsanlagen und transportierte sie als Reparationsgut in die Sowjetunion. Naturgemäß ein Tabuthema im SED-Staat.
Januar 1978. Edith hat das neue Band übernommen, sieht den harten Auseinandersetzungen mit den Kolleginnen aber gelassener entgegen als früher, weiß sie doch Waltraud Dietz und Bruni Haase an ihrer Seite. Erstere unterstreicht, in Wittstock bleiben und sich den Problemen stellen zu wollen, schließlich müsse der Betrieb seinen Verpflichtungen dem Handel gegenüber nachkommen. Nach Wünschen für das Neue Jahr befragt, nennt Edith Geld (für einen Trabant), Gesundheit und weniger Probleme am Band. Sie wünscht sich, dass die Probleme gelöst sind, wenn die Defa-Dokumentaristen nach Wittstock zurückkehren. Auch Renate Strothmann und „Stupsi“ geben sich optimistisch, schließlich hätten sie schon drei Direktoren überlebt. Am Ende sitzt Edith nach der Schicht erschöpft im Werksbus nach Pritzwalk.
Die 32-minütige Kurz-Doku „Wittstock III“, am 1. September 1978 im Kino-Begleitprogramm angelaufen, geht drei Jahre nach „Mädchen in Wittstock“ konkreter auf die Probleme des immer noch im Aufbau befindlichen Textilbetriebs ein und ermöglicht erstmals einen, wenn auch nur kurzen Blick auf die Stadtgesellschaft.
Pitt Herrmann