Zündschnüre

BR Deutschland 1974 TV-Spielfilm

Inhalt

Ennepetal im Bergischen Land gegen Ende des Zweiten Weltkriegs: Fast alle Männer sind an der Front, in Gefangenschaft oder gestorben. Einige Väter, besonders Sozialdemokraten und Kommunisten, sind in Konzentrationslagern inhaftiert. Doch ihre Kinder führen zuhause den Kampf gegen das NS-Regime fort und verstecken Systemgegner in ihrer Höhle, dem Hauptquartier des jungen Widerstands. Sie verteilen Flugblätter und scheuen auch vor der Konfrontation mit der SS nicht zurück. TV-Verfilmung des gleichnamigen Romans von Liedermacher F. J. Degenhardt.

 

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Heinz17herne
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„In Degenhardts Buch spielen Heranwachsende mit aufdringlich literarischen Namen wie Fänä und Sugga mit Soldaten, Gestapo und SS feuchtfröhlich Räuber und Gendarm“ schreibt Hermann Peter Piwitt unter der Überschrift „Winzige im Milieu der Angst“ am 9. September 1974 im „Spiegel“. Und weiter: „Hauff macht dieses Spiel nicht mit. Dunkle Bilder, wie sie Degenhardts Sprache gerade noch als Kulissen zustande bringt, stellen von vornherein klar: Das Gesetz des Handelns wird hier nicht von verschmitzten jugendlichen Erfolgspolitikern bestimmt, sondern von der Realität des Krieges: Bespitzelung, Haussuchung, Bombennächte, das Milieu der Angst in einer kleinen Kohlenpott-Stadt.“

Also, das mit der „Kohlenpott-Stadt“ stimmt so nicht, weder bezogen auf den 1973 bei Hoffmann & Campe in Hamburg erschienenen autobiographisch grundierten Erstlingsroman des Liedermachers und Rechtsanwaltes, noch auf die mitreißende, aber auch sehr reißerische Verfilmung des Westdeutschen Rundfunks: Ort des Geschehens in den letzten Kriegsjahren 1943 bis 1945 ist Schwelm im Bergischen Land, wo Franz Josef Degenhardt geboren wurde und aufwuchs. Und gedreht wurde unweit von Schwelm – in Ennepetal. Beides übrigens Städte mit viel längerer (vor-) industrieller Tradition als das Ruhrgebiet.

Fänä Spormann, aus dessen Sicht der Roman erzählt wird, was Regisseur Reinhard Hauff auf das ganze Protagonisten-Quartett um den Zwölfjährigen ausweitet, Zünder Krach, Viehmann Ronsdorf und, als einziges Mädchen, Sugga Trietsch, sind Kinder aus Arbeiterfamilien einer Kleinstadt am südlichen Rand des Ruhrgebiets. Sie sitzen häufig auf Meurichs Mauer und spielen Mundharmonika, dann hört Tante Herta Ronsdorf aus Opa Ronsdorfs Schusterladen zu. Sie müssen ohne ihre Väter, zumeist überzeugte Kommunisten und Sozialdemokraten, aufwachsen: Diese kämpfen entweder als Soldaten an der Front um ihr Leben oder, von Saremba verhaftet, im Konzentrationslager. Oder bringen sich selbst um wie Dautzenberg, Meister in der nun Rüstungsgüter produzierenden Kanister- und Fassfabrik, der unter dem Vorwurf der Spionage verhaftet wurde und sich in der Zelle aus Furcht vor verräterischen Aussagen unter Folter erhängte.

Von ihren Müttern durchaus unterstützt machen die Kinder aus ihrer Gegnerschaft zum Nazi-Regime keinen Hehl. Nach einem Bombentreffer auf die nunmehr zerstörte Schule von jeglichem Unterricht gefreit schlagen sie sich mit dem HJ-Führer Berti Bischoff herum, unterstützen russische und polnische Zwangsarbeiter, die in einem der Fabrik angeschlossenen Lager unter unmenschlichen Bedingungen hausen, übermitteln Kassiber etwa an den Richter Pahlmann, bei dem sich die Jüdin Gertrude Rosenkranz versteckt, und verteilen Flugblätter an die Haushalte. Mehr noch: sie schmuggeln Aufrufe zur Desertion, versteckt in Klamotten oder Schokolade, in Päckchen an die Frontsoldaten. Mutig sind sie, die Jugendlichen um den Anführer Fänä, bisweilen todesmutig.

Mit Hilfe des von ihnen erpressten Gefreiten Franz erfahren sie die Abfahrt eines Zuges, der Soldaten an die Front bringen soll, und überlisten den Unteroffizier in der Marketenderei, um so viele Lebensmittel wie möglich in den Pferdewagen von Friedchen Bohr zu packen. Damit richten sie ein rauschendes Fest für ein nur auf den ersten Blick so ungewöhnliches wie ungleiches Hochzeitspaar aus: Oma Berta Niehus, an den Rollstuhl gefesselte, als Einzige Hochdeutsch sprechende überzeugte Kommunistin, die sich rühmt, Lenin in London persönlich getroffen zu haben, und das – freilich aus reiner Berechnung - eingeschriebene NSDAP-Mitglied Lorenz Fuchs.

Beide leben in einem umgebauten Eisenbahnwagon, in dem erstaunlich lauthals Lieder der sozialistischen Arbeiterbewegung intoniert werden. Er ist zum Mittelpunkt der Aktivitäten der Kindergruppe geworden, zu denen es auch gehört, mit Charlie einen abgeschossenen britischen Bomberpiloten zu bergen, der sich mit dem Fallschirm retten konnte und nun von der Polin Anna Kusnewski gepflegt wird. Später muss auch Gertrude Rosenkranz in der „Höhle“ versteckt werden. Mit dem sich abzeichnenden Ende des Krieges und der Niederlage des Nazi-Regimes wird die Parole „Verbrannte Erde“ ausgegeben und ein Trupp der Waffen-SS muss gewaltsam daran gehindert werden, die Fabrik zu sprengen. Als Fänäs Mutter Anna ihren aus dem KZ entlassenen Gatten Heini überglücklich in die Arme schließen kann, ist das Tausendjährige Reich endlich Geschichte. Auch wenn Fänäs Vater es lieber gesehen hätte, wenn die Rote Armee statt der Amerikaner in die Stadt einmarschiert wäre…

Die am 6. September 1974 in der ARD erstausgestrahlte, später auf Festivals wie dem Filmfest München 2017 auch auf der Leinwand gezeigte Fernsehproduktion, die Partei nimmt und über den dokumentarischen Kern hinaus beeinflussen will, kam bei der zeitgenössischen Kritik weitaus schlechter weg als es die „Spiegel“-Kritik des Schriftstellers Hermann Peter Piwitt suggeriert. Selbst sozialdemokratische Medien wie die Dortmunder „Westfälische Rundschau“ titelten (am 7. September 1974): „‘Zündschnüre‘ zünden nicht“. WR-Kulturchef Johann Wohlgemuth resümierte: „Gewogen und zu leicht befunden.“ Zu unterhaltsam, zu unglaubwürdig sei diese Mischung aus dokumentarischer Wahrheit und Fiktion. Susanne Jacobshagen dagegen lobt im Marktführer „Hörzu“ (38/74): „Eine fesselnde, unpathetische Widerstandsballade“ mit einem „hinreißenden, lebensvollen Kinderquartett.“

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Kamera

Darsteller

Alle Credits

Drehbuch

Kamera

Ausstattung

Kostüme

Schnitt-Assistenz

Darsteller

Produktionsleitung

Länge:
102 min bei 25 b/s
Format:
16mm, 1:1,37
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 06.09.1974, ARD

Titel

  • Originaltitel (DE) Zündschnüre

Fassungen

Original

Länge:
102 min bei 25 b/s
Format:
16mm, 1:1,37
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 06.09.1974, ARD