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Basierend auf dem gleichnamigen Romandebüt von Sven Regener führt Leander Haußmanns Film zurück in das Jahr 1989: Im Berliner Bezirk Kreuzberg SO 36 – nahe der Mauer, Ewigkeiten vom angrenzende Kreuzberg 61 und noch weiter vom Rest der Welt entfernt – lebt der Barmann Herr Lehmann, der eigentlich Frank heißt. Als lokale Szenegröße sieht er seinem 30. Geburtstag entgegen. Veränderungen des Lebens zwischen Arbeit, Alltagsphilosophie und Trinken mit Freund Karl werfen ihre Schatten voraus: Herr Lehmann verliebt sich in die "schöne Köchin" Katrin, und seine Eltern haben ihren Besuch angekündigt. Des Weiteren macht ein anonymer Kristallweizen-Konsument auf sich aufmerksam. Es wird sich zeigen, ob der eigenständige, weltvergessene Kosmos um Herrn Lehmann den geschichtsträchtigen 9. November überstehen wird – an diesem Tag hat er Geburtstag.
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Sven Regener, Sänger und Texter der Gruppe „Element of Crime”, hat mit seinem Bestseller „Herr Lehmann” so etwas wie das West-Gegenstück zur „Sonnenallee” verfasst. Und so ist es nur folgerichtig, wenn Leander Haußmann auch diesen Stoff verfilmt – mit dem MTV-Moderator Christian Ulmen, der in der Titelrolle ein bemerkenswertes Debut als Schauspieler gibt.
Schon die Eingangsszene nimmt das Publikum für den Film und seinen Protagonisten ein: Frank Lehmann, ein durchs Kreuzberger Nischenidyll hier im wahren Wortsinn taumelnder Dreißiger, der sich, ausgestattet mit einer Art Verantwortungsphobie, vor allem selbst im Weg steht, versucht nach einer durchzechten Nacht auf dem Trottoir einem gefährlich aussehenden Hund auszuweichen. Doch alle Versuche schlagen fehl, bis er zum letzten (Beruhigungs-) Mittel greift, seiner Whiskypulle. Der beduselte Köter lässt sich endlich von zwei Polizisten „abführen”...
Über eine eigentliche Handlung verfügt der eher lakonische, am 27. April 2006 auf Pro Sieben im Free-TV erstausgestrahlte Episodenstreifen „Herr Lehmann” nicht, dafür aber umso mehr über authentische Atmosphäre – und eine Riege exzellenter Schauspieler. Frank, der in der Szenekneipe mit dem schönen Namen „Einfall” zapft, hat in Karl nicht nur einen nachsichtigen Chef, sondern bei Bedarf auch einen zupackenden Beschützer. Dabei ist Karl selbst ein sensibler Charakter: Der Metallbildhauer bricht psychisch zusammen, als ihm plötzlich mit einer Ausstellung im vornehmen, finanzkräftigen Charlottenburg die Chance seines Lebens winkt. Und ein Notarzt im Urban-Krankenhaus erklärt zu mitternächtlicher Stunde die Gesetze des Seins.
Annika Kuhl spielt eine Kellnerin, die schon seit geraumer Zeit ein Auge auf Frank geworfen hat. Aber ihr ist mit der neuen Köchin Kathrin eine ernsthafte Rivalin erwachsen, die hingebungsvoll über die richtige Zubereitung des Schweinebratens debattieren kann.
Als Franks Eltern, ein herrliches Provinzlerpaar aus Westdeutschland, zu Besuch kommen, wird der Zapfer flugs zum Wirt erklärt und Karl schlüpft in die Rolle des Servierers. Als die Eltern ihren Sohn dazu verdonnern, einer Verwandten im Osten heimlich Bargeld zu schenken, bricht die deutsch-deutsche Wirklichkeit erstmals ins Kreuzberger Idyll ein: Frank wird verhaftet (den DDR-Grenzer spielt Kultautor Thomas Brussig), Kathrin wartet vergeblich auf ihn an der Weltzeituhr am Alexanderplatz und tröstet sich mit „Kristall-Rainer”, einem der vielen skurrilen SO 36-Typen, zu denen u.a. auch Hans, eine Trinkerin, Jürgen und der vom TV-Entertainer Karsten Speck verkörperte Detlef gehören.
Auf Franks 30. Geburtstag, dem 9. November 1989, fällt der Fall der Mauer – und aus ist es mit dem beschaulichen Kreuzberger Kiez. Aber das ist genug Stoff für den nächsten Haußmann-Streifen...
Pitt Herrmann