Summary
Sophie, the new housemaid for the Lelièvre family, is reserved and unassuming. But she loses favour with her employers when she makes friends with the feisty postmistress, Jeanne, whom Monsieur Lelièvre doesn’t like. The two very different women are linked by dark secrets and when one of Sophie's is uncovered, she is fired. At Jeanne’s urging, she stands up to her employer. Aggressive, with a strong sense of class consciousness, Jeanne continues to spur on the escalating dispute...
In a black leather jacket and a plaid skirt cut way too short, Isabelle Huppert imbues her Breton street battler with a proletarian punk attitude. When she finally annihilates the bedchamber of her bourgeois adversaries, it seems driven by the same kind of overexuberant ardour that once led rock stars to destroy hotel rooms. For her fifth film (out of a total of seven) with Claude Chabrol at the helm, Huppert was awarded the Volpi Cup for Best Actress in Venice (along with Sandrine Bonnaire), as well as France's César film prize.
Source: 72. Internationale Filmfestspiele Berlin (Catalogue)
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Sophie verfügt über beste Referenzen und versteht es, sich rasch in die heterogene Hausgemeinschaft einzufügen: eine hervorragende Köchin und eine perfekte Hausangestellte, die mit allem zufrieden ist. Als die neuen Herrschaften in den Urlaub fahren, freundet sich Sophie mit der Postangestellten Jeanne an. Es ist, wie sich später herausstellt, ein Duo mit dubioser Vergangenheit, das sich vor Sophies kleinem Fernsehgerät in ihrer Dienstboten-Dachkammer aneinander kuschelt: Jeanne soll ihr Kind getötet haben und Sophie ihren Vater, bevor sie das ganze Haus in Brand gesteckt hat.
Biester hinter biederer, kleinbürgerlicher Fassade: Der flotten Jeanne, selbst früher Fotomodel, traut man eine solche Biographie eher zu als der unscheinbaren Sophie. Aber dann wird letztere „verhaltensauffällig“ und es dauert eine Weile, bis der Grund für ihre bescheidenen (Freizeit-) Interessen offenbar werden: Sophie ist Analphabetin und muss sich ständig Krücken bauen, um Nachrichten, Bestellungen oder Postsendungen „lesen“ zu können.
Sophie leidet stark darunter, flüchtet sich geradezu in die heile, bunte Fernsehwelt der unsäglichen Unterhaltungsshows und Soap-Serien. Beim Zappen durch die TV-Kanäle taucht mitten in der französischen Provinz auch eine deutsche Station auf, das koproduzierende „Zweite“: Eher kontraproduktives Product-Placement in eigener Sache.
Sophie sucht unauffällige Betätigungsfelder wie das Sammeln und Sortieren von Kleidern für Bedürftige durch das katholische Hilfswerk. Doch als die beiden jungen, unternehmungslustigen Frauen bei ihrem (Sammel-) „Zug durch die Gemeinde“ allen offenkundigen Mist aus den Säcken wieder herausnehmen und den darob entrüsteten edlen Spendern mit eindeutigen Worten zurückgeben, werden sie vom Pfarrer gefeuert: der muss schließlich mit den Wölfen heulen...
Melinda wird unvermutet schwanger. Als sie darauf kommt, dass der gute Geist des Hauses weder lesen noch schreiben kann, bricht die Katastrophe aus: Sophie will Melinda durch Erpressung um das Wissen ihrer Schwangerschaft zum Schweigen bringen. Doch die bürgerliche Familie scheint wenigstens in diesem Punkt intakt: Melinda beichtet und Sophie fliegt achtkantig ’raus.
Was jetzt beginnt, ist der langsame Anlauf zu einem grässlichen Showdown. Sophie flüchtet zu Jeanne und beide beschließen, am späten Abend Sophies Sachen aus ihrer Dachkammer in der Fabrikantenvilla zu holen. Als sie das großbürgerliche Anwesen erreichen, hockt die komplette Familie gerade vor dem Bildschirm. Aber keineswegs vor einer der primitiven Comedy-Shows, sondern ganz bildungsbürgerlich vor einer Übertragung der Mozart-Oper „Don Giovanni“ von den Salzburger Festspielen. Die Mutter blättert dazu im Libretto, die Tochter betätigt den Kassettenrecorder.
Was auch immer zum Ausbruch spontaner Wut geführt haben mag: Nach einer Tasse Tee in Sophies Zimmer bemächtigen sich die beiden Freundinnen der Jagdgewehre des Hausherrn und richten unter den Bewohnern ein fürchterliches Blutbad an, dem kein Familienmitglied entgeht. Rache der Zukurzgekommenen an der Bourgeoisie?
Claude Chabrol hat sich demgemäß geäußert, nachdem Isabelle Huppert und Sandrine Bonnaire nach der Aufführung beim Festival Venedig am 5. September 1995 als beste Darstellerinnen ausgezeichnet wurden. Ich kann das nicht nachvollziehen, schon gar nicht angesichts des Hals-über-Kopf-Finales: Nach dem Massaker, das die beiden „Biester“ wie ein blutiges Fernsehspiel inszenieren, beraten sie eiskalt, was nun zu tun sei. Jeanne fährt mit dem gestohlenen Kassettenrecorder nach Hause, während Sophie sorgfältig alle Spuren der Tat beseitigt.
Als sie sich anschließend auf den Weg ins Dorf macht, um sich bei Jeanne ein Alibi für die Tatzeit zu verschaffen, ist die Polizei bereits alarmiert. Ausgerechnet der Pfarrer hat Jeanne überfahren, als diese mitten auf der unbeleuchteten Chaussee stand. Nun ist sie tot und Sophie sieht plötzlich eine Möglichkeit, noch einmal davonzukommen. Aber auf dem Band des Recorders, der im Fond des wieder einmal streikenden Citroen der Postbotin liegt, ist nicht nur die Mozart-Oper zu hören, sondern der ganze Tathergang aufgezeichnet...
Claude Chabrol hat einen, zumindest vom Ausgang des am 30. August 1995 in Frankreich uraufgeführten Films her, spektakulären Krimi gedreht, der freilich weder psychologisch noch gesellschaftspolitisch die Bluttat erklärt. Der Film, der auf dem Anfang der 1960er Jahre erschienenen Roman „Urteil in Stein“ beruht und dessen Originaltitel „La cérémonie“ sich der Redensart „Aller a la cérémonie“ für den Gang zur Guillotine bedient, stellt lediglich Behauptungen – wie Sozialneid und Scham - auf, ohne diese durch die Story wirklich zu belegen.
Pitt Herrmann