Summary
Dora or the Sexual Neuroses of Our Parents
When her mother decides to stop administering sedative psychopharmaceuticals to her mentally disabled daughter, 18-year-old Dora awakens, as if from a deep sleep. Dora discovers her body, her sensuality and, eventually, sex. Her sudden unbridled lust for life shocks her parents. When Dora gets involved with a man she meets at her job on a market, her furious mother deems the relationship to be abusive and forbids her daughter from seeing her lover. But then events take a momentous turn, and everyone has to rethink not just their relationships but also such issues as self-determination, trust and jealousy.
Courageous, necessary and subtle, Stina Werenfels’ adaptation of Lukas Bärfuss’ stage play is a fearless drama about letting go. The tender, subjective shots that capture the beauty of the world as Dora sees it are as much a part of it as the portrait of a desperate mother struggling with life’s pitfalls and experiencing her own body anew. Jenny Schily plays this mother with moving sensitivity.
Source: 65. Internationale Filmfestspiele Berlin (Catalogue)
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Dora (Victoria Schulz) hat blaue Flecken, nachdem sie lange den schönen Peter (Lars Eidinger) verfolgte und der sie dann – naja, das ist die Sicht ihrer Eltern – vergewaltigte. Dem schönen Mädchen mit der geistigen Behinderung gefällt der ruppige Sex sehr gut, während ihre Eltern außer sich sind. Die alarmierte Polizei unternimmt nichts, denn Dora ist mündig und hat keine gesetzliche Betreuung.
Ihre stark sedierenden Medikamente hat die Mutter (Jenny Schily) am 18. Geburtstag abgesetzt: Verwischte Nahaufnahmen, verschwommene Hintergründe in wackelig gefilmten Bildern lassen uns Zuschauer die jahrelange Dämpfung von Doras Wahrnehmung erahnen. Doch nun wird das ganze Leben eine aufregende Entdeckungsreise für das aus ihrem Dornröschenschlaf geweckte Mädchen. In der Badewanne spielt sie unter den Augen der Mutter an sich herum, von ihrem Vater will sie Zungenküsse, sie begrabscht den Mann einer Freundin und fordert: „Ich will auch ein Paar sein!“ Aber Dora spürt auch ihre Behinderung, „Ich bin kein Mongo!“, kreischt sie die Eltern an, „ich will nicht anders sein.“ Immer wieder trifft sie Peter zum hemmungslosen Sex, ihre Eltern verzweifeln und spüren offensichtlich die eigene Verklemmtheit.
Die weitere, spannende Entwicklung Doras wird hier nicht verraten, doch der Film erzählt nicht nur eindimensional ihre Geschichte. Auch die Perspektive der frustrierten Mutter, die sich nach einem weiteren „normalen“ Kind sehnt, fordert zur Identifikation heraus. Während sie jedoch nicht schwanger werden kann, baumelt über der Tochter das Damoklesschwert der Schwangerschaft: Dora will niemals wieder Pillen nehmen. Ein kleines bisschen Selbstverwirklichung gesteht sich die Mutter dann doch durch das von ihr kreierte Catering auf bizarren Burlesque-Festivals zu.
Der Film traut sich, die Überforderung dieser verdrossenen Mutter zu zeigen: Statt eine verlässliche Bastion der heilen Welt zu sein, quillt aus ihr immer wieder Wut auf die enthemmte Tochter heraus. Der Film zersetzt nicht nur dieses Tabus, sondern stellt auch andere infrage: Hört die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung beim Sex oder Kinderwunsch auf? Und er stellt Klischees auf den Kopf, ist das, was Peter mit Dora anstellt, „sexuelle Ausbeutung“? Oder fasziniert ihn die – von ihm geweckte – unzivilisierte Begierde des jungen Dornröschens? Wie die Wahnsinnigen tanzen und schreien die beiden manchmal enthemmt im Wald herum. Von der Kamera werden diese bacchantischen und erotischen Bilder großartig eingefangen.
Die für den Film bei einem Streetcasting entdeckte – nicht behinderte – Victoria Schulz spielt ihre Figur exzellent. Sie hatte etwas „Angst vor der Rolle “, nach den Dreharbeiten „vermisste“ sie die kraftvolle und sinnliche Dora. Eidinger ist wirklich der Böse, „verpiss Dich!“, rotzt er als Peter die hilflose Mutter an, doch im Laufe des Films verfällt er immer stärker seiner wollüstigen, scheinbar ungleichen Geliebten. Dora zieht nicht nur Peter in ihre sinnliche Welt hinein, sondern auch uns Zuschauer, und so taumeln wir immer wieder zwischen Entsetzen und Faszination. Berührt, verwirrt, mit vielen Fragen entlässt das Kino uns in die Wirklichkeit.