Leben und Weben

DDR 1981 Kurz-Dokumentarfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Februar 1981 im VEB Obertrikotagen „Ernst Lück“ in Wittstock an der Dosse. Die erste Frage Volker Koepps geht an Edith Rupp, der einzigen Protagonistin der bisherigen drei Filme aus dem siebenteiligen „Wittstock“-Zyklus: Was hat sich in den letzten drei Jahren verändert? Beruflich einiges: Das Werk gibt nun fast 2.000 jungen Frauen in den Bereichen Rohseide, Textur, Strickerei und Konfektion Arbeit, und Edith ist seit 1979 Obermeisterin mit noch mehr Verantwortung. Privat steht, nach erfolgreicher Verlobung, demnächst eine Hochzeit ins Haus – die hoffentlich in der eigenen Wohnung gefeiert werden kann.

Der vierte „Wittstock“-Teil ist mehr als nur eine chronologische Fortsetzung des Vorgängers von 1978. Während Edith Rupp nur den Rahmen der rund halbstündigen Kurz-Doku bildet, befragen Wolfgang Geier und Volker Koepp ein halbes Dutzend Bewohnerinnen des neu errichteten, 1980 als „Vorbildlich“ ausgezeichneten Lehrlingswohnheims. Annette Grebitus, Britta Jeske, Cornelia Kutscher, Thekla Olschewski, Carmen Rogalski und Sylki Stern stehen kurz vor dem Abschluss ihrer anderthalbjährigen Ausbildung zum Textilfacharbeiter. Einige bleiben dem Betrieb erhalten, andere gehen.

Die Fluktuation im Textilwerk ist enorm, viele, die mit Edith angefangen haben, sind längst gegangen. Mit ein Grund für die Probleme mit der Planerfüllung: eine verlässliche Stammbelegschaft bildet sich nur im Schneckentempo. Zum einen ist die ländliche Sozialstruktur im Märkischen hinderlich: Es gibt zu wenig Wohnungen, sodass die Facharbeiterinnen vielfach über Jahre in Zwei- oder gar Mehrbettzimmern kaserniert bleiben – mit einer Concierge am Eingang und einer an der „sozialistischen Moral“ orientierten Hausordnung.

Zum anderen ist Wittstock für viele Mädchen nicht die erste Wahl. Wenn es etwa im stark nachgefragten Friseurhandwerk keinen Ausbildungsplatz gibt, bietet sich der Umweg mit der vergleichsweise kurzen Lehrlingszeit an. Auch für eine angehende Modegestalterin, die sich von der Berufsausbildung bessere Chancen auf einen Studienplatz ausrechnet. Viele junge Frauen zieht es nach dem Abschluss auch in attraktivere Berufe wie Verkäuferin oder Kellnerin. Selbst im Schichtsystem bieten solche kommunikativen Dienstleistungsjobs mehr Abwechslung als täglich die gleichen Arbeitsgänge in der Fabrikhalle.

Wer gar in der Heimat, und durch das Wohnheim hat sich das Einzugsgebiet für Auszubildende bis nach Berlin erweitert, liiert ist, demnächst vielleicht eine Familie gründen will, wird in jedem Fall fortziehen: Für Männer gibt es in Wittstock keine berufliche Perspektive. Und für Kleinkinder keine Krippenplätze, weshalb eine Schwangere nach dem Abschluss zu ihrem künftigen Mann nach Liebenthal zieht. Von den Wittstocker Freizeitmöglichkeiten einmal ganz abgesehen, die sich seit der Betriebsgründung 1974 nicht wesentlich verändert haben: Kino und Kneipe, ab und zu Disko oder ein Live-Konzert.

Ein Trio, das zumindest zunächst bleiben will, begründet den Entschluss mit fehlenden Alternativen – und dem guten Geld, das hier verdient wird. Allerdings bemängeln auch sie fehlende Mitspracherechte der Lehrlinge, die nicht als gleichwertige Arbeiter anerkannt würden. Dabei könnten gerade sie für innovative Lösungen stehen, für etwas, was in der DDR Neuererwesen genannt wird: Steigerung der Produktivität durch Verbesserungsvorschläge der Werktätigen.

Pitt Herrmann

Credits

All Credits

Duration:
802 m, 28 min
Format:
35mm, 1:1,33
Video/Audio:
s/w, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 18.12.1981;
Aufführung (DE): 24.04.1982, Oberhausen, IFF

Titles

  • Originaltitel (DD) Leben und Weben
  • Weiterer Titel (DD) Lebensweise
  • Weiterer Titel (DD) Wittstock
  • Weiterer Titel (DD) Leben und Weben. (Wittstock IV)

Versions

Original

Duration:
802 m, 28 min
Format:
35mm, 1:1,33
Video/Audio:
s/w, Ton
Screening:

Uraufführung (DD): 18.12.1981;
Aufführung (DE): 24.04.1982, Oberhausen, IFF