Das Erbe

"Heute sieht man Spielfilme anders, als man sie damals gesehen hat. Sie sind ein unglaubliches Zeitdokument. Es ist wichtig, dass sie den nachwachsenden Generationen gezeigt werden." Diese Feststellung des ehemaligen DEFA-Produzenten und derzeitigem Stiftungsratsmitglied Klaus-Dieter Schmutzer erklärt das Bedürfnis, 40 Jahre Film als Teil des nationalen Kulturguts bewahren zu wollen. Das visuelle Gedächtnis eines untergegangenen Staates besitzt einen einzigartigen Wert für die Nachwelt. Doch es sind komplizierte Vorgänge, die die Überführung seines Eigentums in eine andere Struktur mit sich bringt.

Gründung in zwei Versuchen
Die DEFA-Stiftung wurde am 15. Dezember 1998 nach neun Jahren der bürokratischen Uneinigkeiten gegründet. Die Idee zu einer Institution, die den Filmstock als geschlossenes Paket verwaltet und einen aktiven Umgang mit dem Film-Erbe anregt, gab es bereits 1990. Die letzte DDR-Regierung versuchte in aller Eile die Gründung zu vollziehen, scheiterte aber an den Rechtsbestimmungen der Bundesrepublik. Der größte juristische Fehler: Das Berliner Stiftungsgesetz sah die Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Stiftung nicht vor.

Die DDR-DEFA-Stiftung wurde somit nach dem 3. Oktober 1990 nicht anerkannt. In der Zeit zwischen dem ersten, gescheiterten Versuch bis zur zweiten, erfolgreichen Gründung verwalteten verschiedene Institutionen das Material. Jeder Volkseigene DEFA-Betrieb wurde 1990 in eine GmbH umgewandelt, die Treuhandanstalt fungierte als Inhaberin der Gesellschaftsanteile. Das Bundesarchiv übernahm alle vorhandenen DEFA-Materialien des staatlichen Filmarchivs. Sämtliche Filmrollen sowie filmbegleitende Schriften verblieben bis 1997 bei der Treuhandanstalt und wurden dann erst auf das Bundesarchiv übertragen. Der ehemalige DDR-Filmverleih PROGRESS wurde vorübergehend zum Vertreter der DEFA-Rechte und begann mit der kompletten Auswertung der Filme.

Problematische Konzeptentwicklung
Ideen über den weiteren Verbleib des DEFA-Erbes gab es einige. Der wichtigste Teil waren die Nutzungs- und Leistungsschutzrechte an den Filmen. Sollte man die Rechte an die Studios geben oder auf einzelne Institutionen verteilen? Zudem gab es das Konzept, den Nachlass in eine schon bestehende Stiftung zu integrieren. Auch die Medienbranche erkannte den kommerziellen Wert des Filmstocks – eine mögliche Privatisierung und Vermarktung wollte man aber unbedingt verhindern. Durch das große Engagement einzelner Personen sowie der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung als Vorbild und Beratungsinstitution gelang 1998 schließlich die Gründung einer DEFA-Stiftung als Eigentümerin der Nutzungs- und Verwertungsrechte, deren Grundkonzept nun an das DDR-Modell anknüpft. Alle Filme und Materialien wurden an das Bundesarchiv übertragen, die Stiftung beteiligt sich seitdem an den Sicherungs- und Erhaltungskosten. Ihr Partner ist der PROGRESS Film-Verleih, dem die ausschließlichen Verwertungsrechte des Filmstocks gehören.

Die Stiftung heute
Bis heute verfolgt die Stiftung vor allem zwei Ziele: zum einen das DEFA-Erbe zu bewahren, zum anderen die gegenwärtige deutsche Filmkultur zu fördern. Sie besitzt die Rechte von über 7.000 Kinofilmen (rund 950 Spiel- und Kurzspielfilme, circa 820 Animationsfilme, circa 5.800 Dokumentarfilme und Wochenschauen) und rund 4.000 deutschsprachigen Synchronisationen ausländischer Filme. Neben den DEFA-Produktionen gehören umfangreiche Archive audiovisueller Zeitzeugenberichte zum Rechtebestand. Die Erlöse aus der Verwertung des Filmstocks fließen unabhängig von DEFA-Bezügen in die Förderung der deutschen Filmkultur und dienen der Erhaltung des DEFA-Materialstocks beim Bundesarchiv-Filmarchiv. Preise und Stipendien werden vergeben, Ausstellungen, Symposien sowie Retrospektiven organisiert. Im und rund um das Kino und das Home Entertainment geht es darum, das Interesse am Erbe der DEFA und dieses Teils der Babelsberg-Geschichte zu pflegen und zu erhalten.

Weiterführende Materialien:

Zur Gründung der DEFA-Stiftung am 5. Februar 1999

Interview mit Helmut Morsbach (Vorstand der DEFA-Stiftung)