Ehe im Schatten

Deutschland (Ost) 1947 Spielfilm

Inhalt

Der Schauspieler Hans Wieland ist mit einer jüdischen Kollegin verheiratet. Nach den Nürnberger Gesetzen hat sie Berufsverbot, ist aber durch die Ehe mit einem Arier noch geschützt. Die Scheidung, zu der man Wieland drängen will, lehnt dieser ab. Man versucht, möglichst "normal" weiterzuleben. Er steht jeden Abend auf der Bühne, doch für seine Frau wird die Welt immer kleiner. Als er an die Front eingezogen werden soll, droht ihr die Deportation. In dieser ausweglosen Situation wählen beide den Freitod. Pate gestanden für diese Geschichte hat das Schicksal des Schauspielers Joachim Gottschalk.

 

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Falk Schwarz
Der Ausweg
Zwei Jahre nach dem Ende der Nazi-Diktatur hatte Kurt Maetzig den Mut, als ersten Film seines Lebens diese Tragödie über den Freitod eines Schauspielerehepaares zu drehen. Die Jüdin Elisabeth (Ilse Steppat) hat den Schauspieler Hans (Paul Klinger) geheiratet und führt nun eine "Mischehe". Als die Nazis sie deportieren wollen, entscheiden sich beide für den Tod. - Getrennt von sanften Milchglasblenden reiht der Film Szenen an Szenen, die zum Schluss in der Auseinandersetzung zwischen Hans und Herbert Blohm (Claus Holm) kulminieren, die einmal Rivalen um die Gunst Elisabeths waren. Der feige Nazi Herbert entscheidet über Sein oder Nichtsein des Ehepaares. - Der Film ist ein konventionell gefilmtes Melodram, wenngleich die Kameraarbeit von Friedl Behn-Grund die Tragödie mit intensiven, klug disponierten Bildsequenzen intensiviert. Argumentieren liesse sich, ob Ilse Steppat der leidende, furchtsame Ausdruck gelingt oder ob nicht Joana Maria Gorvin, die der Regisseur zunächst besetzen wollte, dieser Rolle noch mehr Tiefenschärfe gegeben hätte. Dass allerdings Wolfgang Zeller, der schon bei "Jud Süss" dabei war, die Musik schreiben konnte, ist Beweis für die Wandelbarkeit von Menschen. In diesem Film tritt die Form deutlich hinter dem Inhalt, der Tragödie zurück. Maetzigs Drehbuch lässt auch keinen Zweifel, dass die Lauen, die Mitläufer, die politisch Uninteressierten und Nicht-Engagierten, von Mitschuld nicht frei sind. In der letzten Szene spielt Elisabeth Chopin auf dem Klavier und sieht zu, wie ihr Mann das Gift in den Kaffee schüttet. Mit seinen Worten "Du weisst..." verliert sie das Bewusstsein.
Heinz17herne
Heinz17herne
Für Friedrich Schillers Tragödie „Kabale und Liebe“ schließt sich zum letzten Mal der Vorhang hinter Ferdinand und Luise, die jungen Schauspieler Hans Wieland und Elisabeth Maurer werden mit Ovationen gefeiert. Nun ist Erholung auf Hiddensee angesagt, in einer kleinen Fischerkate, die Dr. Herbert Blohm der von ihm verehrten Schauspielerin vermittelt hat – nicht ganz ohne Hintergedanken versteht sich. Nach dieser kurzen Auszeit beginnen die Proben für das neue Zuckmayer-Stück.

Wir schreiben das letzte Jahr der Weimarer Republik. Es wird lebendig in der Politik, doch die meisten Künstler ob auf der malerischen Ostsee-Insel oder in der Hauptstadt Berlin pfeifen darauf. Nicht so der Dramaturg Dr. Blohm, der Elisabeth nicht nur privat für sich, sondern auch politisch für die Nationalsozialisten gewinnen will, nicht ahnend, dass sie eine Jüdin ist. Kurt Bernstein, jüdischer Kollege Elisabeths im Theaterensemble, sieht den absoluten Willen der Nazis zur Macht – und ahnt, dass nichts Gutes dabei herauskommt. Schon muss Elisabeth das erste Schild „Juden unerwünscht“ auf Hiddensee erschreckt zur Kenntnis nehmen.

Als der Reichstag brennt, kehrt sie in ein brodelndes Berlin zurück. Die SA marschiert und der Arzt Dr. Louis Silbermann, Elisabeths Onkel, erkennt sofort, dass es nun gegen die Juden geht. Dennoch will er bleiben, will seine Patienten nicht im Stich lassen, redet sich und anderen ein, dass der Spuk bald vorbei sein wird. Im Theater und in allen anderen künstlerischen Bereichen geht es nun um eine staatlich verordnete Reinigung der deutschen Kultur: Kurt Bernstein wird aus dem Ensemble verbannt, Ruth Hallwig, die mit einem Arier verheiratet ist, kann bleiben. Und will es auch: „Mir kann nichts passieren, der beschützt uns.“

Bei Elisabeth Maurer will Dr. Blohm „etwas mit den Papieren“ zaubern. Der Parteigenosse Hitlers gibt sich der Illusion hin, als Rädchen im Getriebe Übergriffe etwa auf Elisabeth verhindern zu können. Nach der Machtergreifung des Führers, die ja gar keine gewesen ist, weil der kleine Österreicher aus Braunau am Inn ganz demokratisch gewählt worden ist vom verblendeten deutschen Volk, bekommt Dr. Blohm einen höheren Posten in der Kultusbürokratie. Und kann in der Tat zumindest über Elisabeth für viele Jahre seine schützende Hand halten. Die Verstärkung erhält durch Hans Wieland, welcher mit Erfolg um die Hand seiner nun arbeitslosen Kollegin anhält.

Kurt Bernstein ist davon überzeugt, dass die Lawine NSDAP nicht mehr aufzuhalten ist, und geht nach Wien, das der Führer noch nicht heim ins Reich geholt hat. Am Theater weht nun ein eisiger Wind, dem jovialen Intendanten Fehrenbach sind die Hände gebunden und das Manuskript des neuen Zuckmayer-Stücks verschwindet in irgendeiner Schublade. Derweil reüssiert Hans Wieland beim neuen Medium Film in der stetig glanzvolleren Reichshauptstadt – an der Seite der schönen Greta Koch, die ihren Bühnenpartner allzu gern auch privat ganz in ihrer Nähe wüsste.

Doch der steht auch nach fünf Jahren Ehe, in denen einiges zerbrochen ist, vor allem die Illusion einer glücklichen gemeinsamen Zukunft, zu seiner unter Einsamkeit und Isolation vom gesellschaftlichen Leben leidenden jüdischen Gattin. Spätestens als in der „Reichskristallnacht“ jüdische Geschäfte geplündert und ihre Besitzer auf offener Straße unter den Augen der sogenannten Schutzpolizei verprügelt werden, werden auch Hans die Augen geöffnet. Aber er sträubt sich gegen eine von Elisabeth vorgeschlagene Emigration zu skandinavischen Verwandten.

1943 kehrt der mörderische Krieg endgültig zurück ins Land seiner Urheber. Die Städte leiden unter der ständigen Bombardierung durch die Alliierten. Die arischen Gatten jüdischer Frauen, die nun in der Öffentlichkeit einen Stern tragen müssen, sind sämtlich an der Front, auch Hans. Der ausgehungerte Mauthausen-Flüchtling Kurt Bernstein kehrt heimlich nach Berlin zurück, Dr. Silbermann verschafft ihm eine Bleibe im Untergrund. Lange kann es ja nun nicht mehr dauern – bis der Krieg vorbei oder bis der letzte Jude ins KZ abtransportiert worden ist?

Gallenkamp, einstiger Ensemblekollege am Theater, hat Bernstein auf dem Bahnhof Friedrichstraße erkannt und liefert ihn der Gestapo ans Messer. Dr. Herbert Blohm, inzwischen Oberregierungsrat im Kultusministerium, macht dem Fronturlauber Hans ein Angebot: lässt er sich von Elisabeth scheiden, kann er wieder in Berlin vor der Ufa-Kamera stehen (die Theater sind ja weitgehend geschlossen). Bei einer Filmpremiere ist Hans so unvorsichtig, seine Gattin mitzunehmen. Die sogleich als Jüdin erkannt wird – ihr Todesurteil. Bevor sie abgeholt wird, suchen beide den gemeinsamen Tod...

Kurt Maetzigs Regiedebüt, unterstützt vom erfahrenen, aber auch vorbelasteten Ufa-Kameramann Friedl Behn-Grund, dem mit Eugen Klagemann ein zweiter Kollege zur Seite gestellt wurde, ist ein antifaschistisches Melodram, das nicht in die schon wenig später nach Ausbruch des Kalten Krieges übliche Schwarzweiß-Malerei verfällt: Es gibt zwar Täter und Opfer, aber auch eine erhebliche Zahl an Mittätern – und eine kaum geringere an Opfern, die die Wahrheit nicht sehen wollten und blind ihrem Untergang entgegensahen.

„Ehe im Schatten“ knüpft ästhetisch unmittelbar an Ufa-Genrefilme nicht nur aus der Zwischenkriegszeit an, woran der Filmmusiker Wolfgang Zeller („Jud Süß“) einen nicht geringen Anteil hat: Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) hatte keine Bedenken, vorbelastete Künstler bei der Defa weiter zu beschäftigen. Was dem 1948 aus amerikanischer Emigration nach Ost-Berlin zurückgekehrten Bertolt Brecht gehörig gegen den Strich ging, als er sich den erfolgreichsten gesamtdeutschen Nachkriegsfilm ansah. Die literarische Vorlage, Hans Schweikarts Novelle „Es wird schon nicht so schlimm sein“, greift den Fall des Schauspielerpaares Meta Wolff und Joachim Gottschalk auf, der 1940 noch in Schweikarts Film „Das Mädchen von Fanö“ mitgewirkt hatte. Als der Druck auf die jüdische Gattin zu groß wurde, nahmen sich beide am 7. November 1941 das Leben und nahmen ihren zwölfjährigen Sohn mit in den Freitod. Auch Kurt Maetzig hatte private Gründe, sich diesem Stoff als erstem überhaupt zu widmen: Auch seine Mutter hat sich dem Gestapo-Zugriff durch Suizid entzogen.

„Ehe im Schatten“, in der nur „Jofa“ genannten Johannisthaler Filmanstalt der Tobis in Berlin-Treptow gedreht, weil die Babelsberger Ufa-Studios noch von den Sowjets als Reparationsgut gesperrt waren, ist der einzige Defa-Film, der am 3. Oktober 1947 gleichzeitig in allen vier Berliner Besatzungszonen erstaufgeführt worden ist. Vorausgegangen war im Juni 1947 der 1. Deutsche Film-Autoren-Kongress, den die Defa im Auftrag aller vier Besatzungsmächte organisiert hatte. Der schon wenig später ausbrechende Kalte Krieg hat solchen gesamtdeutschen Ambitionen ein rasches Ende bereitet. Kurt Maetzig ist 1948 mit dem „Bambi“ für den besten deutschen Nachkriegsfilm ausgezeichnet worden und erhielt im Jahr darauf den DDR-Nationalpreis II. Klasse für seine beiden Defa-Filme „Ehe im Schatten“ und „Die Buntkarierten“.

Pitt Herrmann

Credits

Regie

Drehbuch

Darsteller

Alle Credits

Dreharbeiten

    • 12.03.1947 - Mai 1947: Berlin und Umgebung
Länge:
2845 m, 104 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
s/w, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 29.03.1957, B 292, ab 16 Jahre / nicht feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 03.10.1947, Ost-Berlin, Filmtheater am Friedrichshain [Sowjetischer Sektor];
Uraufführung (D1): 03.10.1947, Berlin/West, Cosima -Filmtheater, Friedenau [Amerikanischer Sektor];
Uraufführung (D1): 03.10.1947, Berlin/West, Prinzenpalast, Gesundbrunnen [Französischer Sektor];
Uraufführung (D1): 03.10.1947, Berlin/West, Kurbel, Charlottenburg [Britischer Sektor]

Titel

  • Originaltitel (D2) Ehe im Schatten
  • Arbeitstitel Verfolgte Seelen
  • Arbeitstitel Ehepaar Wieland

Fassungen

Original

Länge:
2845 m, 104 min
Format:
35mm, 1:1,33
Bild/Ton:
s/w, Ton
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 29.03.1957, B 292, ab 16 Jahre / nicht feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (DE): 03.10.1947, Ost-Berlin, Filmtheater am Friedrichshain [Sowjetischer Sektor];
Uraufführung (D1): 03.10.1947, Berlin/West, Cosima -Filmtheater, Friedenau [Amerikanischer Sektor];
Uraufführung (D1): 03.10.1947, Berlin/West, Prinzenpalast, Gesundbrunnen [Französischer Sektor];
Uraufführung (D1): 03.10.1947, Berlin/West, Kurbel, Charlottenburg [Britischer Sektor]

Prüffassung

Länge:
2881 m, 105 min
Prüfung/Zensur:

Zensur (DD): 09.09.1947 [Sowjetische Militärzensur];
Zensur (DE): September 1947 [Alliierte Militärzensur]

Auszeichnungen

Bambi 1948
  • künstlerisch wertvollster deutscher Nachkriegsfilm