Darsteller, Regie-Assistenz, Drehbuch, Musik, Produzent
Budapest, Ungarn Wien, Österreich

Hallo, Dienstmann!

Paul Hörbiger ist gestorben



Wolfram Schütte, Frankfurter Rundschau, 06.03.1981

Er soll sich viele unter den über 200 Filmen, in denen er Haupt- und Nebenrollen gespielt hat, gar nicht angesehen haben (weil die Filme miserabel waren). Zeitweilig, behauptete öffentlich seine Familie – sein burgschauspielender Bruder Attila und dessen Frau Paula Wessely –, sei er "nicht zurechnungsfähig" gewesen, als er nämlich, mit langwierigen Prozeß-Folgen, sich in den Kopf gesetzt hatte, sein Bruder Alfred sei von dessen Frau vergiftet worden.

Er war der Sohn des von den Nazis geschätzten Begründers der "Welteislehre", wurde am 29. April 1894 in Budapest geboren, stammte aus einer alten Tiroler Orgelbauerfamilie. Während der Nazizeit, in der er als Film- und Theaterschauspieler zwischen Berlin und Wien pendelte, verwendete er sich für jüdische Kollegen. Deshalb verbannte ihn Goebbels aus Berlin (1940), gegen Kriegsende saß er in Österreich in Untersuchungshaft wegen Hochverrats, die BBC meldete seine Hinrichtung, die einmarschierenden Russen befreiten ihn.

Als Verkörperung des "Alten Sünders", der heurigenselig Wein, Weib und Gesang liebt, Gott einen guten Mann sein läßt und in den Tag hineinfiakert, zog er mit seinem Wiener Tournee-Theater (1949 und später immer wieder) durch die Lande, bevor ihn die abgründige Seite des Klischees einholte, als er sich gegen den Vorwurf, "unsittliche Handlungen" an einer Vierzehnjährigen begangen zu haben, gerichtlich zur Wehr setzen mußte.

Er hatte Chemie studiert, und als die Familie vom Vater zur Armut herunterspekuliert worden war, wurde er Schauspieler, der in Böhmen 1919 in der Titelrolle des Nestroyschen "Lumpazivagabundus" debütierte, ab 1920 sechs Jahre am "Neuen Deutschen Theater" in Prag spielte, und der dann als Charakterdarsteller (unter Reinhardt, Barnovsky und Hilpert) ab 1926 am Berliner Lessing- und Deutschen Theater in klassischen und modernen Rollen auftrat. Ihering und Kerr "entdeckten" ihn in Horvaths "Geschichten aus dem Wienerwald" als Nachfolger Girardis.

Seit 1927 spielte er im Film, und die Titel beschreiben das Genre, in dessen Etui er steckte: "Zwei Herzen im Dreivierteltakt", "Der Kongreß tanzt", "Königswalzer", "Fiakerlied", "Wiener G"schichten", "Kaiserwalzer", "Schrammein".

Er schrieb sich viele Lieder selber, zumindest das "Fiakerlied" oder das "Hallo, Dienstmann" (zusammen mit Hans Moser) waren Ohrwürmer. Er liebte die Orchideenzucht, lebte zurückgezogen mit seinen Hunden und war ein "Wiener Volksschauspieler".

Während der mißmutig raunzende, Anarchie anzettelnde Hans Moser, mit dem er oft als komisches Gespann zusammenspielte, einen Blick in die Dämonie des Wiener Charakters eröffnete, war Paul Hörbiger als Filmschauspieler (vor allem in einer Unzahl von Komödien der Nachkriegszeit) die Inkarnation des lebenslustigen, ein wenig vertrottelten, herzensguten, vor allem gemütvollen Wieners – wie der sich gerne sah und sich, durch das Image des singenden Hallodris, auswärtig gesehen sehn wollte.

Vom Dienstmann bis zum Walzerkönig, vom Fiakerkutscher bis zum Kaiser Franz Joseph: Paul Hörbiger spann in seiner Typendarstellung, die immer aber auch in Gestus und Habitus eine Menschendarstellung war, das Nestroysche Dienstboten- und das Raimundsche Zauberpossenpersonal (in dem er sich auf der Bühne glanzvoll auskannte) bis in das imaginäre Typenarsenal eines untiefen Operetten-Österreichs der Heurigenlokale, des Praters, der Hotels und des Klamotten-Militärs fort. Das Wiener Volkstheater des 19. Jahrhunderts hinterließ oft dabei nur noch ein fahles, ganz fernes Echo. Nur sehr selten ist Hörbiger, der ein vertrackter Kauz war, aus dem Genre und der Rolle, die ihn berühmt und beliebt machte, gesprungen – so etwa in eine Nebenrolle von Carol Reeds "Drittem Mann".

In der Nachkriegsgeschichte des deutschsprachigen Films, der eine nicht "unbeträchtliche" Dependance in Österreich hatte, und der im Rückblick unerträglich seicht, belanglos und (gerade auf seine humorige Art) restaurativ war, gehörte Paul Hörbiger zu einem Ensemble von Film-Komikern – wie Theo Lingen, Hans Moser, Beppo Brem, Oskar Sima, Heinz Rühmann, Paul Kemp –, das den Ton der zeitgenössischen Lustigkeit angab – weitgehend noch vor dem Einbruch des Fernsehens als eines attraktiveren Mediums, das diesem Filmgenre den Garaus bereitete. Sich jetzt an dieses Kapitel unserer Filmgeschichte erinnernd, in dem Paul Hörbiger auf dem Höhepunkt seiner Popularität stand, wird man des dialektlichen Reichtums inne, der durch ihn wie die anderen in die Sprachtönung dieser kurzlebigen Filmpossen gekommen ist.

Zuletzt lebte er zurückgezogen in einem Landhaus in der Nähe Wiens, selten spielte er noch einmal auf der Bühne. Er war Mitglied des Burgtheaterensembles bis zuletzt. Als "unvergeßlicher Volksschauspieler wienerischer Prägung" (der Wiener Oberbürgermeister Leopold Gratz) wird Paul Hörbiger in einem Ehrengrab beigesetzt.

Rechtsstatus