"Gegen den Brauch" – Filme von Ulrich Weiß im Filmmuseum Potsdam

Anlässlich seines 75. Geburtstags ehrt das Filmmuseum Potsdam den Regisseur Ulrich Weiß vom 5. Bis 14. Mai 2015 mit einer Filmreihe.

Kinder- und Indianerfilm, Dokumentarfilm, antifaschistischer Film, historische Stoffe – im Oeuvre von Ulrich Weiß finden sich Beispiele für die wichtigsten Gattungen im Filmbetrieb der DEFA. Doch sind die wenigen Werke, die Ulrich Weiß während seiner Karriere als Drehbuchautor und Regisseur realisieren durfte, nicht zu vergleichen mit dem sonstigen Filmschaffen in der DDR. Die Sinnlichkeit seiner Bilder, der Ideenreichtum seiner Erzählungen weisen weit über die DEFA hinaus. Seine oft überraschenden, auch irritierenden Filme wurden von staatlicher Seite angegriffen und beschränkt. Heute gehören sie zu den außergewöhnlichsten und vielleicht wichtigsten Filmarbeiten der DDR.

Das Programm:

5. Mai, 19 Uhr
"Paragraf 14"
R: Ulrich Weiß, DDR 1968, Dok., 24'
Gespräch mit Tamara Trampe (Regisseurin), Peter Rabenalt (Filmkomponist), Michael Gwisdek (Schauspieler, Regisseur; angefragt)
Moderation: Claus Löser (Filmhistoriker)

Anschließend:
"Tambari"
R: Ulrich Weiß, D: Erwin Geschonneck, Frank Reichelt, Barbara Dittus, DDR 1977, 88'
Nach Benno Pludras literarischer Vorlage erzählt der Schwarzweiß-Film von einem Jungen, der sich mit dem Althergebrachten und Sich-Einfügen in den Alltag des Fischerdorfes nicht abfinden will. Entgegen der Missgunst und des Spotts der Erwachsenen richtet er mit einigen Freunden ein altes Boot her, mit dem er eines Tages um die Welt segeln wird. Poetisch und doch dokumentarisch genau beschreibt der Film die Gefühlswelt des Jungen und das rauhe Leben im Fischerdorf.

Auch der Kurzdokumentarfilm "Paragraf 14", dem studentischen Debut von Ulrich Weiß, ragt durch die liebevolle Nähe zu seinen jungen Protagonisten, einer Gruppe jugendlicher Straftäter, heraus.

6. Mai, 15 Uhr
7. Mai, 15 Uhr
"Blauvogel"
R: Ulrich Weiß, D: Robin Jaeger, Jutta Hoffmann, Kurt Böwe, DDR 1979, 93'
Irokesen entführen den Jungen George aus einer weißen Siedlerfamilie und nehmen ihn in ihren Stamm auf. Er soll den Platz von Blauvogel, einen verstorbenen Gleichaltrigen einnehmen. Die neuen Eltern, Mittagssonne und Kleinbär, führen George in die Stammesgemeinschaft ein. Der Junge gewöhnt sich an das neue Leben und erkennt dessen Vorzüge. Als er befreit wird und zu seinen richtigen Eltern zurückkehrt, kann er sich mit der "Zivilisation" nicht mehr identifizieren.
Ulrich Weiß verzichtet auf jegliches Kampfgeschehen und andere Klischees des Indianerfilm-Genres und setzt dafür auf historische Genauigkeit und die fast ethnographische, ruhige Beobachtung.

7. Mai, 19 Uhr
"Dein unbekannter Bruder"
R: Ulrich Weiß, D: Uwe Kockisch, Michael Gwisdek, Jenny Gröllmann, DDR 1981, 103'
Hamburg 1935. Arnold Clasen setzt nach Haft und Misshandlung die Arbeit gegen die Nazis fort. Aber die Furcht noch einmal in die Fänge seiner Peiniger zu geraten, belastet ihn. Bei Walter, dem Kontaktmann seiner illegalen Gruppe, sucht er Halt und Verständnis. Aber sein Verdacht, dass dieser ein Verräter ist, wächst und wird bestätigt, als er nach einer Flugblattaktion verhaftet wird.
Der Film fügte sich durch seine stilistischen und erzählerischen Brüche nicht in die Traditionslinie der antifaschistischen Filme, die stets eine klare Grenze zwischen Opfern und Tätern zu ziehen hatten. Parteiverantwortliche griffen den Film massiv an, einer Einladung nach Cannes durfte Ulrich Weiß mit "Dein unbekannter Bruder" nicht folgen.
Vorfilm: "Montage adé – Ein Brigadier erzählt", R: Ulrich Weiß, DDR 1971, Dok., 18'

12. Mai, 19 Uhr
"Follow Me"
R: Maria Knilli, B: Ulrich Weiß, D: Pavel Landovský, Marina Vlady, Katharina Thalbach, BRD 1988, 104'
Nach der Veröffentlichung des Spielfilms "Olle Henry", den das Filmmuseum bereits im Januar im Programm hatte, konnte Ulrich Weiß in der DDR keine Spielfilme mehr realisieren, seine Drehbücher wurden nicht zur Produktion zugelassen. Sein unter einem Pseudonym verfasstes Drehbuch zu "Follow Me" wurde unter der Regie von Maria Knilli in der BRD verfilmt. Der melancholische Film erzählt die Geschichte eines tschechischen Philosophieprofessors, der nach dem Prager Frühling vom Dienst suspendiert und in den Westen abgeschoben wird. Erst findet er Arbeit als Totengräber, später als Gepäckträger auf einem Flughafen, wo er die Maschinen aus seiner Heimat starten und landen sieht.
In Anwesenheit der Produzentin Monika Aubele (angefragt)

13. Mai, 17.30 Uhr
"Meine Waffen sind nicht gebrochen – nur mein Herz brach"
R: Ulrich Weiß, DDR 1972, Dok., 68'
Die temporeiche Collage entstand 1972 aus Anlass des 175. Geburtstages von Heinrich Heine für das Fernsehen der DDR und bringt uns den Dichter in seiner Modernität, Radikalität wie auch Gebrochenheit nahe. Immer wieder werden auch Beziehungen zur Gegenwart hergestellt.

14. Mai, 17.30 Uhr
"Abstecher"
R: Ulrich Weiß, D 1992, Dok., 65'
Eine Zugfahrt von Potsdam nach Jüterbog und Wittenberg und zurück im Herbst 1991. Der optisch erzählte Film kombiniert Bruchstücke der Gegenwart in der ostdeutschen ohne sie mit einem Kommentar zu versehen. Eine Metapher für eine Zeit, in der nicht klar ist, wo die Reise hingeht.

14. Mai, 19 Uhr
"Miraculi"
R: Ulrich Weiß, D: Volker Ranisch, Katrin Voigt, Uwe Kockisch, D 1991, 114'
Das Los entscheidet, dass Sebastian Müller in einen Kiosk einbrechen muss, um Zigaretten zu besorgen. Danach stellt er sich, zahlt ein Bußgeld und wird zur Wiedergutmachung ehrenamtlicher Kontrolleur für die Straßenbahn. Sein Vater beschimpft ihn als Verräter, und schließlich nimmt Sebastian kein Bußgeld mehr, sondern versucht, die Fahrgäste zu bekehren – in Jesuskutte und mit langem Bart. "…ein verschlüsselter Film mit unüblicher Stilistik. (…)Auf dem Prüfstand stehen verschiedene Lebensentwürfe, die in einer komplexen Bildwelt dargeboten werden." (DEFA-Stiftung)

Quelle: www.filmmuseum-potsdam.de