Epsteins Nacht

Deutschland Schweiz Österreich 2001/2002 Spielfilm

Inhalt

15 Jahre lang hat Jochen Epstein wegen Mordes im Gefängnis gesessen. Nach seiner Entlassung ist der verhärtete alte Mann fest entschlossen, Deutschland zu verlassen, um endgültig mit der Vergangenheit abzuschließen. Doch die Erinnerung lässt ihn angesichts vertrauter Orte und einer nie vergessenen Freundin nicht los. Epstein denkt zurück an jene Nacht, in der alles begann – seine letzte Nacht in Freiheit, in der er während eines Gottesdienstes in dem Priester seinen ehemaligen KZ-Peiniger wiederzuerkennen glaubte...

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
Karl Rose und sein jüngerer, sensibler Bruder Adam, sind dem Holocaust ebenso knapp entkommen wie Adams bester Freund Jochen Epstein. Jochen war ein großer, starker Junge, aber ein schlechter Schüler. So freundete er sich rasch mit dem schmächtigen Klassenprimus Adam an und künftig gingen alle drei durch dick und dünn – bis ins KZ Birkenau. Glücklich ist das Freundestrio, das das Weihnachtsfest zusammen mit Nachbarn (glänzt in einer kleinen Episodenrolle: Martin Schwab) feiert, jedoch nicht. Stellt es sich doch die selbstquälerische Frage aller Überlebenden: Warum wir?

Epsteins Haushälterin Paula schmeißt nicht nur den Männerhaushalt der Rose-Brüder, sondern ist auch emsig um die Gäste am Weihnachtsabend (unter dem christlichen Tannenbaum) bemüht. Deshalb bringen Jochen und Adam ihre kleine Tochter Katharina mit dem Auto durch das verschneite Berlin in die Spandauer Christmette, wo sie im Chor mitsingt. Jochen und Adam trauen ihren Augen nicht, als Pastor Groll mit seiner Predigt beginnt: Ist das nicht der SS-Hauptsturmführer Giesser aus dem KZ Birkenau? Beide hält es nicht länger im Gotteshaus, sie stürmen hinaus und fahren mit der bitter enttäuschten Katharina zurück nach Hause.

Karl will von der Entdeckung der beiden nichts hören: Die Zeit heilt zwar keine Wunden, das wissen die drei alten Juden am besten, aber was könnte es bringen, den vermeintlichen Pastor zur Rede zu stellen oder gar öffentlich anzuklagen? Als das Fest vorbei ist, fehlt Adam. Er hat scheinbar das Haus nur zum Zigarettenholen verlassen. Jochen und Karl setzen sich ins Auto und rasen quer durch die Stadt: Adam hat die Nacht in Spandau auf einer Bank vor der Kirche verbracht, um gleich in der Frühe Groll alias Giesser zur Rede zu stellen. Es kommt zu Handgreiflichkeiten, die in Totschlag münden: Jochen hat, auch um Adam zu schützen, den einstigen KZ-Peiniger erschossen. Dabei wollte Adam nur eines wissen: Was aus seiner Jugendfreundin Hannah Liebermann geworden ist, die er zuletzt in Birkenau auf der Schwelle zu Giessers Büro gesehen hat.

Gut und Böse lassen sich, zumal in Zeiten wie dem „Tausendjährigen Reich“, nicht trennen wie Schwarz und Weiß: Die Nazis haben es vermocht, aus Opfern auch Täter zu machen. Der als Giesser geoutete Groll bringt es an den Tag: Um Adam zu schützen, hat Epstein mehrfach alle Hebel in Gang gesetzt auch unter Inkaufnahme der Opferung unschuldiger Glaubens- und Leidensgenossen. Jochen Epstein muss sich vor Gericht verantworten, sitzt seine 15-jährige Haftstrafe ab. Als er entlassen wird, sind Adam und Karl gestorben. Doch an ihr Grab kann er zusammen mit Hannah Liebermann treten: Sie hat Birkenau durch einen Zufall überlebt und sich in Frankreich eine neue Identität, eine neue Existenz aufgebaut. Die Schrecken der Vergangenheit bleiben lebendig, aber Hannah hat den Weg bereits vollzogen, der jetzt vor Epstein liegt. Immerhin: Seine „Nacht“ ist nun vorbei, die Begegnung mit Hannah hat ihn erlöst.

Wer „Epsteins Nacht“ als „gehobenes Fernsehkammerspiel“ (Die Welt) abtut, hat insofern recht, als Urs Egger diesen sensiblen Stoff nicht mit den bombastischen Mitteln des Hollywood-Kinos erschlagen hat. Doch er tut diesem anrührenden Streifen, der auch ein Berlin-Film ist und mit einer Galabesetzung aufwarten kann, Unrecht, weil er Sujet und Umsetzung nicht als Einheit versteht. „Epsteins Nacht“ ist schon von der Story her nicht „Schindlers Liste“. Vier Zeitebenen werden kunstvoll miteinander verwoben: Die Kinderzeit der Rose-Brüder und der Titelfigur Jochen Epstein, das Konzentrationslager Birkenau, die Begegnung mit dem einstigen SS-Hauptsturmführer Giesser in der Spandauer Christmette vor 15 Jahren und schließlich die Ist-Zeit, Epsteins Entlassung aus dem Gefängnis und seine Begegnung mit der Jugendliebe Hannah Liebermann.

Was diesen Film ausmacht ist sein Ende ohne jeden Gefühlskitsch: Epstein, nunmehr einziger Überlebender, der noch einmal Adam deckte im Prozess um den Mord an Giesser, trifft Hannah – und bleibt dennoch allein, aber innerlich – endlich – erlöst in Berlin zurück. Eggers Film, beim Kinodurchlauf Ende 2002 leider längst nicht so erfolgreich wie erhofft, verhilft den zu Tätern gewordenen Opfern endlich zu ihrer Würde, die ihnen die Nazis genommen hatten.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Drehbuch

Kamera

Kamera-Assistenz

Material-Assistenz

Standfotos

Innenrequisite

Schnitt

Geräusche-Schnitt

Ton-Assistenz

Darsteller

Produzent

Co-Produzent

Produktions-Koordination

Dreharbeiten

    • 13.02.2001 - 31.05.2001: Berlin und Umgebung, Wien
Länge:
2319 m, 85 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby Digital
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 18.09.2002, 91465, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (CH): Januar 2002, Solothurn, Filmtage;
Kinostart (DE): 07.11.2002;
TV-Erstsendung: 25.01.2005, Bayern 3

Titel

  • Originaltitel (DE CH AT) Epsteins Nacht

Fassungen

Original

Länge:
2319 m, 85 min
Format:
35mm, 1:1,85
Bild/Ton:
Farbe, Dolby Digital
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung (DE): 18.09.2002, 91465, ab 12 Jahre / feiertagsfrei

Aufführung:

Uraufführung (CH): Januar 2002, Solothurn, Filmtage;
Kinostart (DE): 07.11.2002;
TV-Erstsendung: 25.01.2005, Bayern 3

DVD-Fassung

Länge:
81 min
Format:
DVD, 16:9
Bild/Ton:
Farbe, Dolby
Prüfung/Zensur:

FSK-Prüfung: 25.11.2002, 91465, ab 12 Jahre