Denk bloß nicht, ich heule

DDR 1964/1965 Spielfilm

Inhalt

Peter Naumann ist ein aufmüpfiger Schüler, der mit seinen provokanten Äußerungen ständig über die Stränge schlägt. Wegen eines Aufsatzes mit "staatsfeindlichen" Äußerungen sorgt der Lehrer Röhle dafür, dass Peter von der Schule fliegt. Er folgt seiner Freundin Anne aufs Dorf und lernt – außerhalb der Schule – in einer verfallenen Schäferei unter ihrer jugendlich-naiven, liebreizenden Kontrolle und Fürsorge das Pensum der Schule. Allerdings gerät er in heftige Auseinandersetzungen mit Annes Vater, einem Antifaschisten und LPG-Vorsitzenden. Zwischen Peter und ihm scheint bald keinerlei Verständigung mehr möglich. Doch Peter gibt nicht auf. Er will Anne haben, er will Sinn und Nutzen für sein Leben.

 

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Heinz17herne
Heinz17herne
„Handwerk hat goldenen Boden“: Ginge es nach dem Willen seines Vaters, eines aus der Partei rausgeschmissenen Altkommunisten, der sein ganzes Leben darunter gelitten hat, Chancen nicht beim Schopf ergriffen zu haben, wäre der Weimarer Oberschüler Peter Naumann (James Dean der DDR: Peter Reusse) längst keiner mehr. Was irgendwie auch seiner Mutter zupass käme, schließlich erweist sich ihr Sprössling als schwarzes Schaf der Klasse. Und sie ist gar nicht mit seinen provokanten Aktionen einverstanden.

Als Peter in einem Aufsatz offen verkündet, dass er „die Republik nicht braucht“, schlägt der Arbeiter- und Bauernstaat zurück: er kann nur Duckmäuser gebrauchen, die brav die vorgegebenen Floskeln wiederkäuen. Weil Peter offen und ehrlich sein will und sich gegen solche auch an der Schule weit verbreitete Heuchelei auflehnt, wird er vom Direktor Röhle von der Schule relegiert. Nur Uschi, ausgerechnet Röhles Tochter, hält zu ihm, während daheim Peters Vater zur Flasche greift und ihm sarkastisch zuprostet: „Gegen die Macher! Leben muss man!“ „Wie denn?“ fragt der Sohn zurück – und erhält keine Antwort. Und weiß selbst keine auf die Frage der mitfühlenden Schulsekretärin: „Und wie willst du leben?“

Zunächst übernimmt er Renovierungsarbeiten in den vier Wänden seiner nun Ex-Mitschülerin Anne, trifft ab und an seine alte Flamme Uschi Röhle und gibt, bei einer Führung durch das Goethe-Haus, solchermaßen Auskunft über seinen Ist-Zustand: „Von Beruf bin ich Halbstarker“. Peter ist ziemlich down, weiß nichts mit sich anzufangen, macht teure Geschenke, welche die Adressatinnen nicht annehmen und verzockt mit Kumpels an der Bar sein Motorrad. Nun platzt Uschi endgültig der Kragen: seine um zwei Jahre ältere „Tausendschön“ braucht einen Mann und keinen kleinen Jungen, der nicht weiß, was er will: „Häng' dich nicht an meinen Rockzipfel!“

Als sich sein Vater zu Tode gesoffen hat, entdeckt Peter in den Unterlagen des Verstorbenen eine Adoptionsurkunde: er ist als Findelkind von den Naumanns aufgenommen worden. Dieser Schock lässt ihn zur Besinnung kommen, er erinnert sich daran, einmal ein Physik-Ass gewesen zu sein und will nun unbedingt sein Abitur bauen. Dafür zieht er aufs Land, um den ganzen Schlamassel der Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich extern auf die Prüfungen vorzubereiten. Anne könnte ihm dabei helfen – und das mehr als nur moralisch unterstützend. Doch ihr Vater, der LPG-Vorsitzende Samthandschuh, ist gegen die Verbindung seiner Tochter zu diesem intelligenten, den Genossen in Schule, Partei und Staat entschieden zu intellektuellen Kopf.

Anne setzt sich für Peter bei der FDJ ein, aber der, von einem verknöcherten Disziplin-Fanatiker mit Parteiabzeichen unter Druck gesetzt, schwächelt - und greift erneut zur Flasche. Währenddessen wollen einige ebenfalls regimekritische frühere Klassenkameraden Peters Rache am Lehrer Röhle vollziehen – mit Gewalt. Ausgerechnet in der Ruine der Sauckelburg, einer berüchtigten Weimarer Kultstätte der Nazis. Was Peter entschieden zu weit geht, weshalb er die dem Schuldirektor zugedachten Prügel selbst einsteckt – und dem nun bekennenden Antifaschisten Röhle die Augen und das Herz öffnet. Sowie den LPG-Vorsitzenden dazu bringt, Peter auf einem Fest der Dorfgemeinschaft zu präsentieren mit positivem Ausgang: er darf, zur Bewährung ausgeschrieben, bleiben...

„Denk bloß nicht, ich heule“ wurde zwar im März 1965 fertiggestellt, aber nach dem 11. Plenum des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands nicht nur verboten, sondern von SED- und FDJ-Funktionären geradezu verteufelt: „Der Film wühlt in der Abfallgrube der Republik.“ Er verzerre die Wirklichkeit und besonders die Rolle der Partei und sein Held sei westlich-nihilistisch und anarchistisch. Dabei ist in der dramatischsten Szene des ganzen Films, der gerade noch verhinderte Gewaltakt gegen den Schuldirektor, schon die Ortswahl symbolisch zu verstehen – als Warnung vor offenbar durchaus realen neofaschistischen Umtrieben junger Leute, die auf der Suche nach Alternativen zum Neuen Sozialistischen Menschen bei den Nationalsozialisten hängen geblieben sind.

„Es ist ein Film gegen uns, gegen unsere Partei, gegen unsere Republik und gegen unsere Jugend“ wetterte Horst Schumann, 1. Sekretär der FDJ und Mitglied des ZK der SED, auf dem besagten 11. Plenum. Bei Testvorführungen von „Denk bloß nicht, ich heule“ dagegen wurde die mehrfach korrigierte Schnittfassung vom jungen Publikum begeistert aufgenommen. Was kein Wunder war: das Defa-Team um Manfred Freitag, Joachim Nestler und Regisseur Frank Vogel hatte unter Schülern, Lehrlingen und jungen Arbeitern recherchiert und vor Drehbeginn viele Wochenenden im Jugendwerkhof Lehnin zugebracht.

Erst mit der Wende 1990 gelang es dem damaligen Kameramann Günter Ost, den Streifen aus dem Defa-Giftschrank zu holen und die schwarz-weiße Originalfassung zu rekonstruieren, die „25 Jahre zu spät“, so die Überschrift der Rezension im Berliner „Tagesspiegel“, im Berliner Kino „International“ Uraufführungs-Premiere feierte.

Pitt Herrmann

Credits

Alle Credits

Regie

Regie-Assistenz

Drehbuch

Szenarium

Dramaturgie

Kamera

Kameraführung

Kamera-Assistenz

Kostüme

Schnitt

Produktionsleitung

Länge:
2476 m, 91 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 26.04.1990, Berlin, International

Titel

  • Originaltitel (DD) Denk bloß nicht, ich heule

Fassungen

Original

Länge:
2476 m, 91 min
Format:
35mm
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Uraufführung (DD): 26.04.1990, Berlin, International

Digitalisierte Fassung

Länge:
91 min
Format:
DCP
Bild/Ton:
s/w, Ton
Aufführung:

Aufführung (DE): 17.02.2024, Berlin, IFF - Retrospektive